Lyrik am Freitag – Williams: Calypso

Calypso I

 

Einverstanden Gott

ist Liebe

also liebe mich

 

Gott

ist Liebe deshalb

liebe mich Gott

 

ist

Liebe also liebe

mich gut

 

(W. C. Williams, 1883-1963)

 

„Ihr Lieben, lasst uns unter einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott; und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott. (…) Gott ist die Liebe; wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ So steht es im Neuen Testament, im 1. Brief des Johannes im 4. Kapitel. Der amerikanische Dichter und Arzt William Carlos Williams nimmt diese alten, theologischen Sätze und macht daraus  Poesie. Er wendet und dreht den Satz von Gott, der die Liebe ist und bezieht ihn auf sich selbst. Die abstrakt anmutende Rede von Gott möge ins Leben, in sein Leben gelangen; sie möge in ihm lebendig werden. Existenziell. „Gott ist die Liebe“ – dieser Satz soll schwingen und tanzen. Ja, Theologie soll „swingen“, damit sie berührt und das Leben verändert; swingen wie ein Calypso, ein erotischer karibischer Tanz. „Gott“, so ruft der Dichter dem zu, der die Liebe ist, „treffe Du mich mit Deiner Liebe und liebe mich gut“. Denn dann, so vermute ich, wenn er die Liebe am eigenen Leib und im eigenen Leben spürt, hautnah, intensiv, dann kann er einverstanden sein und einstimmen in das, was die Gelehrten und Prediger verkündigen und wozu sie uns auffordern: einander zu lieben. Mit der Liebe Gottes im Herzen, kann er vielleicht selbst ein Liebender sein.

Und ich frage mich: Wieviel Gottesliebe steckt in der irdischen Liebe, in der Liebe zwischen Menschen (in all ihren Facetten und Ausprägungen; von erotisch bis platonisch)? Ist sie wie ein Reflex, eine Spiegelung dessen, was zwischen Himmel und Erde geschieht? Eine Entsprechung, die auf Gott hinweist? Oder ist, d.h. existiert Gott in der Liebe, die zwischen Menschen lebt und wirkt? Geht Gott gar darin auf? Bekommen wir es in der Liebe mit Gott selbst zu tun? Pfingsten feiern wir den Geist Gottes, der mal Sturmwind, mal Feuer, mal ein zarter Hauch ist. Ein Geist, der uns nicht kalt lässt, sondern unsere Leidenschaft hervorruft. Möge das Pfingstfest uns liebevoll inspirieren.

P.S. In dem Film „Paterson“ von Jim Jarmusch (USA 2016, u.a. mit Adam Driver) um einen dichtenden Busfahrer spielen die Gedichte von Williams Carlos Williams eine wesentliche und schöne Rolle. Ein wunderbarer Film!

P.P.S. Das Foto zeigt den Dichter mit seinem Sohn. Sieht nach Liebe und auch ein bisschen nach Calypso aus.

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  2. Steffen Kühnelt
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5 Kommentare

  1. Wenn Gott die Liebe ist und damit sogar die Liebe Gott, was mir gefällt, dann erübrigt sich die Frage, wieviel Gottesliebe in der Liebe ist. Wie umfassend war aber wohl die Liebe für Johannes? Er deutet in seinem Bief vor allem auf die Brüderlichkeit. Kann der greichische Text deutlicher machen, wie Johannes das Wort Liebe verstand?

  2. Lieber Jörg, im Griechischen, d.h. in der Urschrift des Neuen Testaments steht das Wort „agape“, die im Unterschied zur erotischen oder romantischen Liebe „ganzheitlicher“ zu verstehen ist. Oderr, wie Du schreibst, Jörg, „geschwisterlicher“. Und wenn da in 1Joh 4,8 geschrieben ist: „Gott ist die Liebe“, dann ist Gott (grammatikalisch und inhaltlich) das Subjekt über das etwas ausgesagt ist. Nicht die Liebe wird als göttlich beschrieben, sondern Gott als liebevoll… Als der, der in Liebe existiert. Das ist seine Seinsweise. Seine Art lebendig zu sein. Frohe Pfingsten!

    1. Die Trennung von Subjekt und Objekt ist hier ja nicht so ganz leicht. Vielleicht war es für Johannes klar. Aber mir gefällt der Gedanke der Identifikation. Die Liebe ist ja auch das wirklich wichtige, zu Menschen, zum Leben, zur Erde. Das wissen die großen Religionen. „Das ist seine Seinsweise“ geht für mich auch in diese Richtung.

  3. Ja, wenn ich einen Menschen liebe, dann spüre ich in der Tat etwas vom Geist Gottes in mir. Es fängt in mir an zu klingen und zu tanzen, ohne dass ich es von mir aus steuere. „Begeistert“ werde ich aktiv und fange ich an zu handeln.

  4. Ja, Helga, so hatte ich es bislang noch nie gesehen oder benennen können: wenn ich jemanden oder etwas so lieben kann, dass es in meinem Bauch kribbelt und mir so leicht ums Herz wird, dass ich ‚be – geistert‘
    bin… dann durchströmt mich sozusagen ‚Ruach, – Gottes Geist! Ich freue mich über diesen Denkanstoss!

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