Lyrik am Freitag – Strittmatter: Freundschaft

Freundschaft

Freunde sind mir, mit denen ich
Essen und trinken und reden kann.
Die mich in meiner Küche kennen,
Und denen ich sage: Komm, setz dich ran.
(Keine Probleme und Komplikationen:
Wie füttert man den? Ist der Schnaps gut genug?)
Mit denen gemeinsam ich in den Jahren
Meine und ihre Lasten abtrug:
Krankheit der Kinder und Weltüberdruß.
Mit denen ich die Nächte zerrede.
Und doch kommt es niemals zu einem Schluß.
Das kann auch über Fernen bestehen.
Auch wenn man sich lange Zeit nicht sieht:
Halten wir nur aneinander fest,
Was immer sonst auch mit uns geschieht.
Freundschaften sind wie Abenteuer,
An die man sein ganzes Leben setzt.
Versagt man oder wird man verraten,
Hat man sich mehr als die Haut verletzt.

Eva Strittmatter (1930-2011)

 

Im Norden Brandenburgs, bei Gransee in dem Weiler Schulzenhof lebte Eva Strittmatter. Lebte dort mit ihrem Mann Erwin (einem Dramatiker), mit ihren Kindern. Weit ab der Stadt, inmitten der mal spröden, mal lieblichen Landschaft. In einer Natur, die sie in ihren Gedichten so anrührend beschreibt. Da stand ihr Haus. Ein Zuhause und Refugium auch für ihre Freundinnen und Freunde, die da ein und aus gingen und von denen sie in diesen Zeilen schreibt. Und da war auch die Küche mit dem Tisch, so stelle ich es mir vor; der Tisch, an dem geredet, gegessen und getrunken wurde (in meiner Fantasie: Bratkartoffeln und Spiegelei, Tee und Schnaps) und die Probleme und Lasten (bestimmt auch die Freuden!) des Lebens geteilt, gewälzt, ausgehalten und auch „abgetragen“ wurden. Freundinnen und Freunde: einige regelmäßig zu Gast an diesem Küchentisch, einige nur ab und zu. Mit einigen Freunden, denen in der Ferne, wurde die Verbindung fernschriftliche oder fernmündlich gehalten und gepflegt. Freundschaften, die ein ganzes Leben in Bewegung waren und blieben.

Und ich frage mich bei diesem Gedicht: Wer saß und sitzt an meinem Küchentisch? Wer ist mein vertrauter Freund, eine Freundin? Mit wem habe ich wirklich das Abenteuer Freundschaft gewagt, von dem Eva Strittmatter hier spricht? Und an welchen freundschaftlichen Tischen sitze ich, bin herzlich und unkompliziert willkommen und kann mich festhalten? Aber auch: An welchen Tischen habe ich lange nicht gesessen und die Freundschaften halten trotzdem? Oder sie werden doch fadenscheinig und brüchig? Und wo habe ich tatsächlich als Freund versagt, gar einen vertrauten Menschen verraten?

Im biblischen Buch Jesus Sirach heißt es: Ein treuer Freund ist wie ein festes Zelt; wer einen solchen findet, hat einen Schatz gefunden. Und: Für einen treuen Freund gibt es keinen Preis, nichts wiegt seinen Wert auf. (JesSir 6, 14f)

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