Lyrik am Freitag – Schleiermacher: Rätsel

Rätsel

 

In das Herz des größten Weltbezwingers

setze Du hinein,

und es wird der größte Leidensüberwinder

bezeichnet sein.

 

(Friedrich Schleiermacher, 1768-1834)

 

Was hier etwas holprig gereimt daher kommt, ist auch nicht wirklich ein Gedicht und bestimmt keine große Poesie, sondern es ist ein Rätsel in Versform. Verfasst hat es auch kein Dichter, sondern Friedrich Schleiermacher: ein Theologe, Alt-Philologe, Pädagoge, Staatstheoretiker (und sicher manches mehr) – schlichtweg ein Universalgelehrter seiner Zeit. In der Kirchengeschichte kommt Schleiermacher als Begründer der „liberalen Theologie“ und „Kirchenvater des 19. Jahrhunderts“ ein besonderer Platz zu. Aber er hat eben auch gedichtet und Rätselgedichte geschrieben. So wie es zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Salons der feineren Gesellschaft in Berlin, Halle, Jena und vielen Orten Mode war. Ein Spiel war das Rätselraten, eine Ablenkung (Napoleon zog durch Deutschland, es herrschte der Krieg!) für die gebildeten Kreise, wenn sie sich zu Tee, Rauchwaren und Likör(?) trafen.

 

Rätselgedichte sind mir seit meiner Kindheit vertraut („Was ist das? Hängt an der Wand und gibt jedem die Hand.“), doch auf diese Kunstform der damaligen Zeit (ähnlich dichteten auch Hebel, von Brentano, Rückert und Goethe u.a.) bin ich erst nun gestoßen. Die Inhalte und Lösungsworte der Rätsel jener Epoche waren oft banal. Da ging es um die „Ohrfeige“, den „Halunken“ oder gar den „Flaschenzug“. Schleiermacher aber wird etwas tiefsinniger, ja philosophisch. Das Sprachspiel wird bei ihm ein (kleines) Stück Verkündigung.

 

Die Fragen zum obigen Rätsel lauten also: Wer ist denn nun der „größte Weltbezwinger“ (=Weltherrscher)? Und wer der „größte Leidensüberwinder“, also eine Tugend, die uns auch in unserer Zeit und speziell in unserem pandemischen Leben sehr zupass käme? Und wie passt das „Du“ da hinein in dieses Lösungswort? Wer mag, der schickt mir des Rätsels Lösung per Mail an Und wer dabei auf den Geschmack gekommen ist und noch mehr Schleiermachersche Verse enträtseln will, für den gibt es nun noch zwei Boni:

 

Mein Erstes ist nicht wenig,

mein Zweites ist nicht schwer,

mein Ganzes läßt dich hoffen,

doch hoffe nicht zu sehr.

 

Gesucht wird ein Wort, das nur auf den zweiten Blick aus zwei Teilen besteht und oft nur füllenden Charakter hat. – Und schließlich noch Rätsel mit einem Lösungswort mit Teekesselchen-Qualität:

 

Wir sind’s gewiß in vielen Dingen,

im Tode sind wir’s nimmermehr,

die sind’s, die wir zu Grabe bringen,

und eben diese sind’s nicht mehr.

Denn, weil wir leben, sind wir’s eben

von Geiste und von Angesicht;

und weil wir leben, sind wir’s eben

zur Zeit noch nicht.

 

Wer alles richtig geraten hat, für den habe ich eine hübsche Überraschung, die ich mir aber noch ausdenken muss.

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