Lyrik am Freitag – Bob Dylan zum 80.: The Times They Are A-Changin‘

The Times They Are A-Changin‘

Come gather ‚round people wherever you roam
And admit that the waters around you have grown
And accept it that soon you’ll be drenched to the bone
If your time to you is worth savin‘
Then you better start swimmin‘ or you’ll sink like a stone
For the times, they are a-changin‘

(Bob Dylan, geb. 1941)

Bob Dylan, geboren als Robert Zimmermann in Minnesota, wird in diesem Mai 80 Jahre alt. Seit über 60 Jahren steht er auf der Bühne, schreibt und singt Lieder, die Gedichte sind. Für sein Werk hat er deshalb 2016 und als erster Musiker überhaupt den Literatur-Nobelpreis bekommen. Er gehörte und gehört zu den einflussreichsten Künstlern seiner/unserer Zeit. Sein Album mit dem Titelsong „The Times They Are A-Changin‘“ entstand 1964 und verhalf ihm zum Durchbruch, zu der großen öffentlichen und internationalen Aufmerksamkeit und Anerkennung, die er seitdem besitzt.

Mit 23 also schrieb er diesen Song, Mitte der 60er Jahre als sich langsam Risse im konservativen Fundament der amerikanischen Gesellschaft zeigten. Als in vielen Ländern des sogenannten Westens in der jungen Generation eine Aufbruchsstimmung und ein Veränderungswille entflammte, der die Welt in den Jahren/Jahrzehnten danach tatsächlich veränderte. Es war der Beginn einer emanzipatorischen Bewegung, in der Traditionen in Staat und Familie, Rollen- und Geschlechtermuster in Frage gestellt wurden. Die Jugend begann neue Freiheiten und eigene Wege einzufordern und kritisierte das Bestehende massiv – in Deutschland den Umgang mit der NS-Vergangenheit, in den USA den Krieg in Vietnam u.a.

Dylan schreibt (nach der Übersetzung von Carl Weissner):

Kommt näher, ihr Leute, wo immer ihr seid

Und gesteht, dass rings um euch die Flut höher steigt

Und findet euch damit ab, bald klatschnass zu sein.

Wenn’s euch drum geht, nochmal davonzukommen,

dann fangt besser an zu schwimmen oder ihr sinkt wie ein Stein

Denn die Zeiten ändern sich.

Die Zeiten ändern sich. The Times They Are A-Changing. Das steht fest. Es kommen andere Zeiten! Es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken und den Wandel zu leugnen. Die allegorischen Worte Dylans werden in unserer Zeit zu bitterer Realität. Die Flut steigt durch die Klimakatastrophe tatsächlich. Wir müssen uns ändern. Und auch in den 60er Jahren war die Notwendigkeit zur Veränderung, bzw. die Kraft dieses Veränderungswillens so groß, dass Politik und Gesellschaft nicht so bleiben konnten wie sie waren. Die Bürgerrechtsbewegung in den USA, die die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung anprangerte, Friedens-, Umwelt- und Frauenbewegung u.a. warenin vielen westlichen Demokratien  auf dem Weg. Gegen diesen Strom war kein Kraut gewachsen, die revolutionäre Kraft in jenen Jahren zu stark. Zum Glück. Denn von ihr profitieren wir noch heute und sind doch längst an einem Punkt, der erneut in so vielen Lebensbereichen zur radikalen Neuorientierung und zur Änderung der Lebensweise ruft, wenn wir (bzw. unsere Kinder und Enkel) nicht untergehen wollen.

Dylan ruft in den kommenden Strophen des Liedes die verschiedenen Kräfte in der Gesellschaft auf, ihren Teil dazu beizutragen, dass die Welt sich verändert bzw. dass sie diesem Prozess der Veränderung Rechnung tragen in ihrem Tun: Da werden die Intellektuellen, die Schreiber und Kritiker, angerufen wachsam zu sein und zu berichten; und die Politiker sollen sich nicht stur stellen, nicht auf Zeit spielen und taktieren. Und die Mütter und Väter schließlich mögen anerkennen, dass die nächste Generation, die Söhne und Töchter, einen eigenen Weg geht. Denn der alte Weg ist eine Sackgasse: Your old road is rapidly aging!

The line it is drawn, the curse it is cast
The slow one now will later be fast
As the present now will later be past
The order is rapidly fadin‘
And the first one now will later be last
For the times, they are a-changin‘

Die Vorausschau auf die Umwälzung der Welt endet mit diesen Worten. Die Verhältnisse werden sich umkehren: Die jetzt etwas gelten werden vergehen. Und: „Die Ersten werden die Letzten sein.“ Jesu Worte (u.a. Mt 20, 16) finden Eingang in dieses Lied. Dylan stimmt ein in die Vision Jesu von einer Gesellschaft, in der Menschen nicht ein für allemal festgelegt sind auf eine Rolle, auf einen „Stand“, sondern in der ihnen eine Freiheit zugesprochen ist, die von Gott her gilt und die ihr Leben und diese Welt verändert. Dylans Lied ist eine Hymne einer Generation geworden. Für mich ist es auch ein Psalm für unsere Zeit.

Bob Dylan hören und sehen können Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=e7qQ6_RV4VQ

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